Fr., 7. Oktober 2022, 3. Reisetag / 0 Tageskilometer mit Womo / Rügen, Prora, Campingplatz Prora
Tag drei auf der schönen Insel Rügen beginnt morgens um neun Uhr mit herrlichem Sonnenschein, aber recht frisch, nur um die 8° Celsius wird uns angezeigt. Und wieder ist es windig, aber das ist ja am Meer und insbesondere auf Inseln sowieso fast ständig der Fall.
Wie so häufig im Urlaub verbringen ("vertrödeln") wir den Vormittag auf dem Platz und lassen es langsam angehen. Wir sind ja im Urlaub und nicht auf der Flucht...
Beim kurzen Rundgang über den Platz entdecken wir eine kleine Anhöhe, die wir erstmal erklimmen. Von hier hat man einen schönen Blick über die Anlage. Und die ist immer noch nicht ausgebucht. Wir sind gespannt, ob sich das ändern wird, wenn nächste Woche die Schulferien in Mecklenburg-Vorpommern beginnen werden.
Baumwipfelpfad im "Naturerbe Zentrum Rügen"
Unser erstes heutiges Ziel soll der nahegelegene Baumwipfelpfad im "Naturerbe Zentrum Rügen" hier in Prora sein. Da müssen wir nur circa zweieinhalb Kilometer hinradeln. Das Wetter für den Besuch des Aussichtsturms ist ideal: sonnig und superklare Oktoberluft.
"High Noon" - und wir starten. Es ist verblüffend, wie sehr sich unser zeitlicher Ablauf in den verschiedenen Urlauben ähnelt: ohne dass wir das genau im Blick haben oder gar planen, stellen wir doch im Nachgang immer wieder fest, dass sich selbst im Urlaub sowas wie "Routine" einstellt - ist das jetzt gut oder schlecht? Egal, Hauptsache, man erholt sich und erweitert seinen Horizont - buchstäblich...
Also - um zwölf Uhr schwingen wir uns auf die Räder und schon zwanzig Minuten später sind sie am Baumwipfelpfad geparkt. Für 25 € für zwei Erwachsene dürfen wir nun zunächst auf langen Holzstegen langsam in die Höhe marschieren. Viele Info-Tafeln und interaktive Aufbauten auf den Stegen lassen uns auf dem Weg nach oben häufiger innehalten. Mit QR-Codes an den einzelnen Stationen kann man sich noch mehr Informationen holen, wenn man will.
Die Aussicht ist heute absolut grandios und jetzt sind es auch ungefähr 18° Celsius. Ein wirklich toller Oktobertag!
Hier sind zwar einige Besucher unterwegs, dennoch haben wir nicht das Gefühl, dass die Anlage überlaufen ist. Jetzt sind wir doch ganz froh, im Herbst hier zu sein. Im Sommer ist an solch einem Ort bestimmt "der Bär los" (wenn man sich mal vom Strand loseisen kann...).
Wir genießen die Ausblicke über die waldreiche Insel und bleiben eine Viertelstunde oben auf dem Turm, bevor es in weiten Runden gemächlich wieder nach unten geht.
Geschickt angelegt: Bevor man ganz nach draußen kommt, muss man zwingend durch die zugegebenermaßen sehr informativ aufbereitete Ausstellung zur DBU (Deutsche Bundesstiftung Umwelt) Naturerbefläche Prora. Auch hier sind große Schautafeln, interaktive Mitmachstationen, akustische und optische Schmankerl zu erleben. Und doch: Nach einer gewissen Zeit der Aufnahme so vieler Informationen ist man irgendwann einfach "durch".
Dann heißt es nur noch: ab nach draußen in den schönen Sonnenschein. Das ist dann so um halb drei Uhr herum der Fall.
In der Sonne sitzend überlegen wir, was wir mit dem verbleibenden Tag noch anstellen. Wir entscheiden uns für die ebenfalls sehr nahe gelegene Sandskulpturenausstellung, auch hier in Prora.
Auf dem Weg dahin kommen wir am Oldtimer-Museum Rügen vorbei. Da gehen wir aber nicht hinein, sondern bewundern nur das alte Propellerflugzeug der DDR-eigenen Fluglinie "Interflug". Bei der eingeschränkten Reisefreiheit der DDR-Bürger hatte die Fluggesellschaft wahrscheinlich nicht allzu viel Passagieraufkommen... muss ich bei Gelegenheit mal recherchieren...
Sandskulpturenausstellung in Prora
In Sichtweite des Oldtimermuseums befindet sich die große Glasfront der Sandskulpturenausstellung, zwischen zwei ehemaligen Garagen- und Werkstattkomplexen der NVA witterungsunabhängig in einer Halle untergebracht.
Auch hier kostet der Eintritt 12,50 € pro Person, wie beim Baumwipfelpfad auch... na ja...
Aber das, was wir dann bei sehr warmen Temperaturen innerhalb des "Glaspalastes" von Künstlern aus aller Welt zu sehen bekommen, ist allemal sein Geld wert: Wunderbare Kunstwerke aus dem so empfindlichen Material sind hier ausgestellt, zusammengefasst unter verschiedenen Themen. Kurz: CHAPEAU!!
Übermannshoch präsentieren sich die verschiedenen Kunstwerke in der "Sandwelt". Die Besucher werden auf breiten Wegen durch die Ausstellung geführt - Anfassen streng verboten! (Ist ja auch verständlich.)
Musik, Theater, Film...
Die Bedeutung des Alkohols wird ziemlich ausgiebig thematisiert...
Skulpturen in einer Größe, die nur mit einer Leiter oder einem Gerüst zustande kommen können... Wahnsinn! Auch das Filigrane der "Pilgerreise" ist - wie bei so vielen anderen Kunstwerken hier auch - echt unglaublich.
Hippies und "Flower Power"...
Das Meer in all seinen Facetten...
In der letzten Ecke der Ausstellung gibt es einige Kunstwerke aus der "Ü 18-Abteilung"...
Griechische Mythologie...
Tiere dieser Welt...
Festivals und Discofieber...
Die Christus-Statue von Rio de Janeiro ist hier untertitelt mit "Karneval in Brasilien" 🤨 (warum auch immer...).
Und am Ende des beeindruckenden Rundgangs wird noch Werbung in eigener Sache gemacht. Natürlich aus Sand und natürlich in metergroßen Leinwandmaßen...
Nach dem Besuch der Sandskulpturen überfällt uns der Hunger und da sich genau gegenüber des "Glaspalastes" ein großer, moderner Edeka-Supermarkt befindet, kaufen wir uns hier einen schön frischen, selbst zusammengestellten Salat und verputzen ihn gemütlich in der Sonne sitzend.
Der "Koloss von Rügen" - Das KdF-Seebad der Nationalsozialisten
Die Sandskulpturenausstellung zeigt ja schon recht eindrucksvoll, was alles aus (auf) Sand gebaut werden kann. Aber auf unserem Weg allmählich zurück Richtung Campingplatz - so gegen Viertel vor fünf - bekommen wir auf eine ganz andere Art und Weise "Baukunst" geboten: Wir radeln unmittelbar am "Koloss von Rügen" vorbei, wie das "KdF-Seebad Rügen" genannt wird. Hier wurde die durchgehend 4,7 km (!) lange Anlage im Auftrag der „NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude“ zwischen 1936 und 1939 gebaut und zu großen Teilen auch vollendet. Allerdings verhinderte der Beginn des Zweiten Weltkriegs die endgültige Fertigstellung als Seebad.
Auf der Webseite des Dokumentationszentrums Prora, das leider schon um fünf Uhr am Nachmittag schließt und wir (zumindest heute) leider keine Zeit mehr hatten, dieses Zentrum inklusive der Dauerausstellung "MACHTUrlaub" (man beachte das Wortspiel) zu besuchen, wird mitgeteilt: "Die Anlage steht unter Denkmalschutz. Sie ist neben dem „Reichsparteitagsgelände“ in Nürnberg die größte geschlossene architektonische Hinterlassenschaft der nationalsozialistischen Zeit. 20.000 Menschen sollten hier gleichzeitig Urlaub machen. Das „KdF-Bad der Zwanzigtausend“ ist nicht nur ein baugeschichtlich interessantes Beispiel für den Gebrauch der Architektur der Moderne im Nationalsozialismus, sondern auch ein sozialgeschichtlich wichtiges Zeugnis für das Bemühen des NS-Regimes, die Arbeiter, deren Parteien und Organisationen 1933 zerschlagen worden waren, zu befrieden und für die Kriegs-, Lebensraum- und Rassenpolitik zu gewinnen. Die „Nerven des Volkes“ sollten für den nächsten Krieg gestärkt werden, so wurde ein angebliches Zitat Hitlers in der Propaganda überraschend deutlich verbreitet."
Man hat schon ein seltsames Gefühl im Magen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass dies eine der größten baulichen Hinterlassenschaften der Nazis war. Jetzt halb zerfallen oder strahlend weiß zu teuren Hotel- oder Eigentumswohnungskomplexen umgebaut - je nachdem, an welcher Stelle des monumentalen, kilometerlangen Baus man sich gerade befindet. Oft auch unmittelbar nebeneinander: alt und zerfallen neben neu und renoviert. Auch die Jugendherberge Prora findet hier ihre Unterkunft - ganz am Ende des riesigen Komplexes.
Nach dem zweiten Weltkrieg nutzte die DDR einen großen Teil des "Koloss' von Rügen" als Kaserne der NVA. In den 1950er Jahren wurde daraus die monumentalste Kasernenanlage der DDR, obwohl gar nicht alle Gebäude des Komplexes verwendet wurden. War trotzdem noch groß genug. Prora wurde über vier Jahrzehnte zum militärischen Sperrgebiet.
Nach dem Fall der Mauer - ab 1990 - verfielen die Gebäude zusehends und seit 2004 werden sie einzeln nach und nach umgebaut und verkauft.
Die Nachkriegs- und DDR-Geschichte von Prora und seinen bemerkenswerten Gebäuden wurde nach 1990 kaum irgendwo erwähnt. Erst seit 2008 wird sie gemeinsam mit der Geschichte des geplanten KdF-Bades im Dokumentationszentrum Prora aufgearbeitet.
Die Prora-Außenanlage am Strand, an der wir uns eine Weile aufhalten, zeigt uns auch dort sozusagen eine "Mini-Mauer". Damit man ja nicht in die Ostsee fällt?!
Eigentlich kann man recht ungehindert zwischen den alten Gebäuden umhergehen, auch das öffentliche Durchqueren des Komplexes ist möglich - dort, wo noch nicht renoviert und verkauft wurde, versteht sich. So radeln auch wir einfach dem Schotterweg folgend durch das unrenovierte Haus durch, was unten abgebildet ist und gelangen vom Meer aus auf die andere Seite des Komplexes.
Ist erst einmal alles renoviert und in den Händen von Hotellerie oder in Privatbesitz, kommt man über hunderte von Metern als "Nicht-Gast" oder "Nicht-Bewohner" eigentlich gar nicht mehr ohne weiteres an den Strand von Prora.
Nur ein paar hundert Meter weiter radeln wir von dieser "Maxi-Anlage" zu unserem kleinen Womo auf dem Campingplatz, wo wir gegen Viertel nach fünf ankommen. Aber da die Sonne noch so schön scheint und wir noch ein wenig unternehmungslustig sind, schwingen wir uns nach einer kurzen Stippvisite am Wohnmobil erneut auf die Räder und fahren nochmal nach Binz, ein wenig shoppen.
Ziemlich genau um sieben Uhr am Abend - es wird schon wieder dunkel und die Geschäfte schließen allmählich - sind wir für den heutigen Tag endgültig wieder am Womo.
Insgesamt waren wir heute gut 23 km zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs, wie unsere GPS-Tracker "auswerfen". Kam uns gar nicht so viel vor... aber wenn man so "abgelenkt" ist durch die Eindrücke der jeweiligen Umgebungen - Baumwipfelpfad, Sandskulpturen und "Koloss von Rügen" - dann merkt man das gar nicht so. Auch gut!