So., 9. April 2017, 3. Reisetag / 114 Tageskilometer / von Folkestone nach Abbey Wood (Stadtteil Londons) auf Campingplatz "Abbey Wood Caravan Club Site" (Koordinaten: 51.4857833,0.1176143)
Am Morgen herrscht immer noch so schönes Wetter auf der Capel Farm, dass wir beschließen, draußen im Sonnenschein zu frühstücken. Auch danach lassen wir es langsam angehen, spülen, packen in Ruhe unsere Siebensachen zusammen und brechen um kurz vor zwölf Uhr bei lauschigen 21° Celsius allmählich Richtung London auf, mit Ziel Campingplatz im Stadtteil Abbey Wood. Etwas über einhundert Kilometer liegen vor uns.
Nachdem wir die Mini-Straßen rund um die Farm im relativen Schneckentempo hinter uns gebracht haben, läuft es erstaunlich gut "rund" (auch in den Kreisverkehren...) und das Fahren gelingt nun "mit links" - zumindest bei Herrn Fernschreiber, die Göttergattin hat es bisher noch nicht ausprobiert. Aber auch als Beifahrer eines linksgesteuerten Fahrzeugs "vom Kontinent" hat man in England einiges zu tun, vor allem in den unzähligen Kreisverkehren, von denen die großen auch mal gerne dreispurig und mit Ampelsteuerung daherkommen. Als linkssitzender Fahrer fährt man ja bekanntermaßen links hinein in den Kreisverkehr, und dies zusammen ist eigentlich ein bisschen "zu viel links": Man muss ja rechts schauen, ob einem im Kreis, der wie in Deutschland vorfahrtsberechtigt ist, Fahrzeuge entgegenkommen, und da hat der Beifahrer den besseren Blick - logisch. Also ist das Fahren, auch natürlich wegen der ganzen unbekannten Streckensituationen, bei uns durchaus Teamwork. Der Umstand, dass der Fahrer immer links sitzt und sich somit permanent außen am Fahrbahnrand befindet, während der "untätige" Beifahrer auf seiner Position eigentlich den besseren, da "mittigeren" Überblick über die Straßenlage hat, ist allerdings nur am Anfang gewöhnungsbedürftig. Da sind wir eigentlich doch froh, mit unserem eigenen Womo hier in England zu sein, und nicht mit einem rechtsgesteuerten Gefährt. Die Umgewöhnung, mit links den Schalthebel zu bedienen (falls man sich nicht das "Privileg" einer Automatik gönnt), ist sicherlich auch nicht ganz ohne...
Während unserer ersten längeren Fahrt in England lernen wir auch kennen, dass alle mit "M" bezeichneten Straßen Autobahnen darstellen (motorways), wie wir sie auch von Deutschland gewohnt sind: manchmal zwei- , vor allem um London herum oft auch dreispurig (wobei man dann natürlich rechts überholt), aber insgesamt die Straßenoberflächen auf allen Straßen nicht gerade die besten sind. Ganz schön häufig werden wir gut durchgeschüttelt, Schlaglöcher tauchen unvermittelt, häufig und tief auf. Gut, dass wir ein ausgeklügeltes Packsystem im Womo haben, sonst wären uns sicherlich schon so manche Sachen in den Schränken und Schubladen durcheinandergeflogen oder würden dauernd klappern.
Viel häufiger als die "M"-Straßen, also Autobahnen, gibt es die mit "A" gekennzeichneten Straßen ("A-Roads"), vergleichbar mit unseren Bundesstraßen. Wenn es dann beispielsweise "A 282" heißt, dachten wir anfangs, uns auf einer Autobahn zu befinden, zumal alle Hinweisschilder wie Ausfahrten, Orts- und Kilometerangaben in blau gehalten sind (die motorways haben alle eine grüne Beschilderung), wie wir es von unseren deutschen Autobahnen gewohnt sind und auch diese A-Straßen manches Mal mehrspurig sind. Doch ganz häufig werden sie recht plötzlich einspurig und man hat wieder unmittelbaren Gegenverkehr. Das kennt man ja auch von Deutschland, doch ungewöhnlich ist es doch, dass selbst auf den zweispurigen, autobahnähnlichen A-Straßen Trecker oder Radfahrer fahren dürfen oder Zu- und Abfahrten nur mit ganz kurzen Verzögerungs- und Beschleunigungsstreifen erfolgen, manchmal auch ganz ohne diese Hilfen und man dann "ganz normal" rechts oder links im rechten Winkel über zwei gleichspurige Straßen hinweg abbiegen muss. Aber man gewöhnt sich an alles, zumal in England (wie auch in jedem anderen europäischen Land) nicht so gerast wird wie in Deutschland. Überhaupt werden wir im Laufe unseres Urlaubes die englische Fahrweise als ausgesprochen entspannt und höflich erleben. Kein Hupen, Winken, Fluchen begegnete uns, im Gegenteil, auf den vielen engen Straßen vor allem in Cornwall war es oft eine Selbstverständlichkeit für unseren Gegenverkehr, stehenzubleiben, damit wir langsam vorbeifahren konnten oder die Engländer schlugen sich in die überall am Straßenrand befindlichen Hecken, um Platz für uns zu machen. Wirklich sehr zuvorkommend, eben die sprichwörtlich "feine englische Art", die uns nicht nur auf den Straßen, sondern auch beispielsweise im Gespräch und im Verhalten mit den Farmern begegnete.
Aber zurück zum Hier und Jetzt. Um 13.20 Uhr kommen wir nach guter Fahrt auf dem Campingplatz Abbey Wood an. Wir parken auf der Halte- und Anmeldespur des Platzes, beglückwünschen uns zur gelungenen Feuertaufe, kramen unsere Anmeldeformulare hervor und stiefeln zur Rezeption... wo wir schon mit Namen begrüßt werden! Das hatten wir auch noch nie. Während wir da so vor dem Eingang standen, hatte die freundliche Dame am Empfang uns wohl schon anhand unseres Nummernschildes identifiziert. Vier Nächte haben wir hier reserviert.
Wir suchen uns einen schönen Stellplatz in der großzügigen, fast parkähnlich angelegten Anlage aus und machen es uns erst einmal im weiterhin strahlenden Sonnenschein bei nun 24° Celsius vor unserem Womo gemütlich. Herrlich! Mit so tollem Wetter haben wir gar nicht gerechnet! Dementsprechend genießen wir es und wollen erst am späteren Nachmittag die Gegend zu Fuß erkunden.
Gegen kurz nach drei Uhr machen wir uns auf den Weg zur S-Bahnstation, mal schauen, wie weit das zu Fuß ist (etwa 600 m) und von wo wir abfahren müssen. Wir stellen fest, dass der Bahnhof umfangreich umgebaut wird und überhaupt kein Durchkommen zu den Bahnsteigen möglich ist - gesperrt, Schienenersatzverkehr ist eingerichtet. Na super... Wir stellen also Erkundigungen darüber an, wie wir mit dem Bus nach Plumstead, der nächstgelegenen Station, kommen. Ein wiederum sehr netter junger Mann sieht uns und unsere kritischen Blicke auf diverse Hinweistafeln und erklärt uns alles unaufgefordert sehr genau, bis wir feststellen, dass die Vollsperrung des Bahnhofs nur für gestern und heute gilt und ab morgen, wenn wir nach London wollen, wieder aufgehoben sein wird. Wie schön!
Nach zwei Stunden, um viertel nach fünf Uhr, sind wir wieder am Womo, beobachten quirlige Eichhörnchen in den hohen Bäumen, staunen über freifliegende Papageien über den Wipfeln und lassen es uns weiterhin gutgehen, bevor wir am Abend abermals den Grill anwerfen und den Tag gemütlich essend vor dem Womo ausklingen lassen.