Colmar, Fachwerk und - natürlich - der Isenheimer Altar und Choucroute

Mi., 19. Oktober 2016, 5. Reisetag / ca. 75 Tageskilometer / von Strasbourg (Elsass) nach Colmar (Elsass), Stellplatz Camping Car Motorhome Parking (Koordinaten: 48.083677,7.3547295)

Die Vogesen begleiten uns von Strasbourg nach Colmar
Die Vogesen begleiten uns von Strasbourg nach Colmar

Da wir gestern schon so lange in Straßburg waren, beschließen wir nach dem Frühstück, heute ohne einen weiteren Besuch direkt nach Colmar weiterzufahren. Natürlich haben wir nicht alles von der "Europahauptstadt" gesehen, zum Beispiel auch das Europaviertel nicht, doch das Münster und "Petite France" waren ja dabei.

So brechen wir am späten Vormittag auf, weiter Richtung Süden. Während der gesamten Autobahnfahrt nach Colmar begleiten uns rechterhand die Vogesen, dieser sanfte Mittelgebirgszug durch das Elsass. Viele Burgen und Schlösser sind auf den Bergspitzen zu sehen, kein Wunder, die Aussicht von dort oben auf das ansonsten flachere Umland ist wohl nicht schlecht.

Kurz nach halb eins erreichen wir Colmar. Und was erwartet uns gleich am ersten Kreisverkehr in der Inselmitte? Die Freiheitsstatue! Wohl zu weit gefahren... Nein, natürlich nicht, diese 12 m hohe Kopie der weltberühmten Skulptur steht hier im Gedenken an ihren Erschaffer, dem Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi, dessen Heimat Colmar war.

Colmar ist die drittgrößte Stadt des Elsass nach Straßburg und Mühlhausen und bezeichnet sich selbst gerne als "Hauptstadt der elsässischen Weine", wie ebenfalls gleich an der Stadtgrenze, quasi neben der Freiheitsstatue, zu lesen ist.

Wir steuern nicht den großen Stellplatz am Hafen an, da er zwar recht viel Komfort wie Strom, Wasser, Abwasser und dergleichen bietet, aber etwa 1,5 km vom Zentrum entfernt liegt. Das ist zu Fuß zwar auch noch gut zu bewältigen, doch wir bevorzugen für heute den zentrumsnäheren, namenlosen Parkplatz "Parking camping-cars", den wir um etwa viertel vor eins erreichen. Wir hingen ja am Tag zuvor am Landstrom und die Aufbaubatterie sollte wieder voll sein, so dass wir es für heute "wagen", autark zu stehen, Frischwasser haben wir genug, der Abwassertank ist leer. Der Platz ist eigentlich nur ein Parkplatz zwischen Wohnhäusern, aber ausdrücklich auch für die Übernachtung von Wohnmobilen freigegeben. Für ganze 4,10 € Parkgebühren dürfen wir bis morgen früh um zehn Uhr hier stehen, so zeigt das Parkticket an.



Wir nivellieren das Womo mittels Auffahrkeilen, orientieren uns kurz und sind nach wenigen hundert Metern Fußweg in der Altstadt von Colmar, direkt am Musée d' Unterlinden, wo unter anderem der weltberühmte Isenheimer Altar zu sehen ist. Wir entscheiden jedoch, noch nicht jetzt ins Museum zu gehen, sondern das gute Wetter, teils sonnig, aber auf jeden Fall trocken, zunächst für eine Stadtbesichtigung zu nutzen. 

Wir genießen eine Viertelstunde lang den Platz um das Museum herum, schauen uns schon mal die Speisekarte des gegenüber des Museums liegenden Restaurants "Pfeffel" an (in das wir am frühen Abend spontan einkehren werden) und beobachten die kleine Touristen-Bimmelbahn, die hier am Platz hält, auf die wir aber verzichten; wir wollen unabhängig bleiben und "vertrauen" unseren Füßen.


 

Ab halb zwei Uhr schlendern wir weiter kreuz und quer durch das malerische Viertel "La Petite Venise", das "kleine Venedig" (Koordinaten: 48.0584642,7.3543801) mit den beiden Flüssen Ill und Lauch und seinen zahllosen alten und - vor allem - sehr bunten Fachwerkhäusern. Solcher Art Häuser sieht man ja durchaus öfter, gerade hier im Elsass (oder auch in unserem Heimatstädtchen Soest...), aber nirgends sind sie so auffällig farbenfroh wie hier: da gibt es lila, gelbe, grüne Fassaden zwischen dem Fachwerkholz oder die Fensterrahmen und -läden sind farblich auffallend kontrastiert zur Fassade. Alles sehr schön anzusehen! 

Dagegen wirkt das ehemalige Wohnhaus des Bildhauers Frédéric-Auguste Bartholdi, der unter anderem auch als sein sicherlich berühmtestes Bauwerk die amerikanische Freiheitsstatue geschaffen hat, in seinem schlichten Braun fast unscheinbar, obwohl das Gebäude recht groß ist. Heute ist dort das Bartholdi-Museum untergebracht. Wir gehen allerdings nicht hinein, sondern möchten lieber noch mehr von Colmar sehen und später ja noch das Unterlinden-Museum besuchen.

 


Überall in der Altstadt sieht man liebevolle Dekorationen in den Schaufenstern der pittoresken kleinen Lädchen, in denen man typisch elsässische Spezialitäten kaufen kann, seien sie zum Essen, zum Aufhübschen der Wohnung oder einfach als Souvenirs.

Was aber vor allem augenfällig ist, das sind die vielen (unechten) Störche, die man allerorten in und vor den Geschäften sieht: mal als Kuscheltier aus weichem Flaum, dann als Schlüsselanhänger, auf Postkarten, als Holzschnitzerei... man kann sich im Elsass wohl kaum etwas vorstellen, was das Symboltier dieser nordfranzösischen Gegend nicht ausgezeichnet tragen könnte...



Zwischenzeitlich bekommen wir Hunger und kaufen leckere Brezeln, die uns quasi als Straßenverkauf an der "Außentheke" einer kleinen Boulangerie angeboten werden. So kommen wir leicht kauend und halb gesättigt auch am Maison Pfister vorbei, jenem berühmten Haus von 1537 mit seinen dunklen Holzbalkonen, das einem reichen Silberbergwerksbesitzer gehörte. Das Pfisterhaus ist quasi zum Symbolhaus des alten Colmars aus dem 16. Jahrhundert geworden.

Wir gehen weiter, am Koifhus ("Kaufhaus") vorbei, dem ehemaligen Zollamt und dem ältesten öffentlichen Gebäude Colmars, mit seinem auffällig gemusterten Dach und gelangen ins Gerberviertel. Dieses Viertel ist aus hohen Fachwerkhäusern gebaut, die größtenteils aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen. In den Gebäuden lebten einst die Familien der Gerber, die nicht nur dort wohnten, sondern auch arbeiteten und ihre Felle in der obersten Etage trocknen ließen.


 

Je weiter wir uns an diesem Nachmittag durch die Altstadt von Colmar "arbeiten", umso schöner wird diese, so hat es den Anschein. Sogar noch jetzt im Oktober sieht man überall prachtvoll gedeihende Blumen: Geranien, Petunien und dergleichen in großen Kästen, die die Straßen und Flüsse säumen und ihren Teil dazu beitragen, die Stadt noch farbenfroher zu machen, als sie eh schon durch die bunten Fachwerkhäuser ist.

Um viertel nach zwei Uhr erreichen wir ein großes Gebäude, dessen eine Wand außen direkt an den Fluss grenzt: die Markthalle. Wir schauen uns dort ein wenig um und staunen über das fast "messeartige" Flair dieses Marktes mit seinen vielen einheimischen Spezialitäten und Delikatessen. Wir belassen es beim Betrachten und setzen wenig später unseren Gang durch die Altstadt fort.

 

 

In der "Krutenau" oder auch "Klein-Venedig", Petite Venise, durch das der Fluss Lauch verläuft, ist es nochmals besonders schön und der Fotoapparat läuft heiß ob der vielen Motive, die sich hier bieten. Eigentlich sind es immer wieder Fachwerkhäuser, die das Stadtbild prägen, und man sollte meinen, zwei, drei Fotos davon müssten reichen, aber dann zeigen sich doch wieder so herrliche Aussichten, dass der Auslöser der Kamera abermals betätigt wird...

 

 

Immer weiter geht es durch die Gassen des Viertels. Auf Brücken stehend sehen wir tatsächlich - wie auch in Venedig - flache Boote auf der Lauch schippern; es sind zwar keine Gondeln, aber so ein wenig mediterranes Flair kommt schon auf - mitten im Oktober.

 

 

Wenn der Blick einmal nicht an der Fassaden der Fachwerkhäuser "hängenbleibt", so geht er immer wieder in die Schaufensterauslagen der vielen kleinen Geschäfte. Die ungeheuren Mengen an dargebotenen Süßigkeiten verkneifen wir uns und sehen stattdessen eine interessante Skulptur, bei der sich die Zeit per "Weckerschuss" umzubringen scheint... Ja, hier scheint die Zeit manches Mal tatsächlich stehengeblieben zu sein...

Bemerkenswert ist auch das Maison des Têtes, heute ein Hotel und Weinbörse der Stadt. 106 kleine steinerne Menschenköpfe sind an der Fassade zu sehen und ganz oben auf der Giebelspitze thront die Figur des "Fassbinders", ebenfalls entworfen und erbaut durch den berühmten Bildhauer der Stadt, Frédéric-Auguste Bartholdi.

 

 

Der Isenheimer Altar von Mathias Grünewald im Museum Unterlinden

 

Um viertel vor vier Uhr schließlich sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt  beim Musée d' Unterlinden, das wir nun besuchen wollen (Koordinaten: 48.0766802,7.3541092). Für 35 € als Familienticket mit Audio-Guide besichtigen wir nun eines der meist besuchten Museen Frankreichs. Ursprünglich war das Gebäude aus dem 13. Jahrhundert ein Frauenkloster, doch dient es nun schon seit Jahrhunderten als Museum.

 

Neben vielen anderen Kunstwerken vor allem als Darstellung biblischer Szenen ist natürlich der Isenheimer Altar mit dem Retabel, Altaraufsatz, von Mathias Grünewald das Kunstwerk schlechthin im Museum, dem auch ein eigener Saal gewidmet wurde.

Mathias Grünewald gilt bei vielen als Mystiker, Ketzer, mittelalterlicher Expressionist und hat als solcher ein Kunstwerk von unglaublicher Ausstrahlungskraft geschaffen. Der Altar ist eines der berühmtesten Kunstwerke der Welt, ein Wandelaltar mit zehn Tafeln, die heute einzeln und alle gleichzeitig zu sehen sind, früher konnte man nur jeweils eine der drei Wandlungen oder Schauseiten des aufklappbaren Altars betrachten.

Doch was macht ein Altaraufsatz aus Isenheim, einer etwa zwanzig Kilometer südlich gelegenen Kleinstadt, nun in Colmar? "Schuld" daran ist die Französische Revolution von 1789: viele Kirchengüter werden in der jungen französischen Republik nun Eigentum des Staates, Mönche und Geistliche müssen ihre Klöster verlassen, so wurde auch das Klosterspital der Antoniter-Mönche in Isenheim aufgegeben. Um Plünderungen zu vermeiden, werden viele Kunstwerke des Isenheimer Klosters vier Jahre nach der Französischen Revolution unauffällig auf Karren, verdeckt unter Stoffplanen und Strohballen, transportiert. Das große Retabel aus dem Klosterhospital, dessen wundertätige Bilder angeblich Kranke heilen konnte, muss dafür auseinandergenommen werden und wird im Museum Unterlinden wieder aufgebaut, ähnlich so, wie man es heute betrachten kann.

Der heilige Antonius, einer Legende nach ein wundertätiger Arzt aus dem 4. Jahrhundert nach Christus, thront als größte und mächtigste Figur im Mittelpunkt und auch später, im Mittelalter, kamen die Kranken scharenweise zum Bildnis und den Gebeinen des heiligen Antonius ins Isenheimer Klosterspital. Das "Antoniusfeuer" wütet, eine schmerzvolle, zum Siechtum verdammende Krankheit, oft mit Verlust von Gliedmaßen einhergehend, auf die sich die Menschen des Mittelalters keinen Reim machen können. Heute weiß man, dass das Getreide mit Mutterkorn, einem oft tödlichen Pilz, verunreinigt ist, den die Menschen damals noch nicht kennen. Nur diese eine Krankheit wird im Isenheimer Kloster behandelt und als "Empfangsritual" im Kloster werden die Kranken vor die Altarbilder geführt. Sie zeigen den Kampf der Leidenden, die schrecklichen Halluzinationen und Schmerzen im Leibesinneren, aber auch Bilder friedlicher Ruhe und christlicher Erlösung.

 

 

Wir verbringen fast eine Stunde vor den verschiedenen Bildern des Retabels und durch die eindringlichen Worte des Audio-Guide werden wir neben der Geschichte um den Altar und die dargestellten Szenen der Bilder auch intensiv auf Details, zum Beispiel was die Farbwahl oder kleinste Figuren auf den Bildern angeht, aufmerksam gemacht. Sehr beeindruckend! 

Nach insgesamt circa zwei Stunden, um kurz vor sechs Uhr am Abend, haben wir dennoch genug Kultur erlebt, kaufen uns in der angeschlossenen Bibliothek noch ein Buch über den Isenheimer Altar und sind nach so viel heiligen Geschichten und Begebenheiten nun auf der Suche nach ganz irdischen Genüssen: wir haben ziemlich viel Hunger...

 

Choucroute im Restaurant "Pfeffel"
Choucroute im Restaurant "Pfeffel"

Da bietet sich das direkt dem Museum gegenüberliegende alteingesessene Restaurant "Pfeffel" an, in das wir um sechs Uhr herum einkehren und das wir schon heute Mittag begutachtet haben.

Hier bestellen wir Fernschreiber-Eltern nun endlich mal Choucroute, neben dem Flammkuchen eine typisch elsässische Spezialität, vergleichbar mit unserem "Kassler auf Sauerkraut und Kartoffeln". Herr Fernschreiber wählt gleich die "royale" Variante, auch noch mit Eisbein, neben dem Kassler, den Mettwürstchen, dem Speck und Knackwürstchen der normalen "alsacienne"-Variante.  Eine recht deftige Mahlzeit, und sättigend! Dazu ein Glas Weißwein und der Abend klingt genussvoll aus!

 

Gut gesättigt treten wir anschließend den kurzen Weg zurück zum Womo an und ein schöner Tag in Colmar neigt sich dem Ende zu.